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Die Rückbesinnung auf Aristoteles: Averroes

Publié le 06/01/2010

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Diese Überzeugung wurde, wie erwähnt, am Almohadenhof in Marrakesch verkündet. Dort vernahm sie unter anderem ein junger Mann, der sich für alle Fragen der Wissenschaft interessierte: Abû l-Walid ibn Ruschd, in Europa besser bekannt als Averroes (gest. 1198). Sein Lebensweg wies einige Parallelen auf zu Ibn Tufails Karriere. Auch er war aus Spanien (in seinem Fall aus Cordoba) nach Nordafrika gekommen. Auch er war ein ausgebildeter Arzt (dazu Jurist) und vertiefte sich in philosophische Studien. Außerdem begann er, Aristoteles-Kommentare zu schreiben – angeblich, weil Ibn Tufail diese Aufgabe nicht übernehmen wollte und stattdessen dem Sultan vorschlug, sie dem jüngeren Kollegen zu übertragen. Trotzdem kann man die beiden Denker kaum miteinander vergleichen. Denn Averroes hatte ganz andere Vorstellungen darüber, was Philosophie und was Philosophiegeschichte sei. Deswegen suchte er auch einen anderen Weg, die philosophische Wissenschaft aus den Turbulenzen herauszuführen, in die sie durch die Diskussionen des 11. und des 12. Jahrhunderts geraten war. Die Unterschiede beginnen schon bei der Frage, ob man überhaupt philosophieren dürfe. Sie beschäftigte Ibn Tufail offenbar gar nicht, während Averroes dieses Problem so ernst nahm, dass er ihm ein eigenes Werk widmete. Es trägt den Titel Die entscheidende Abhandlung. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn Averroes beschränkt sich in diesem Text nicht darauf, seine Ideen mit philosophischen Argumenten zu verteidigen. Er möchte vielmehr eine juristische Entscheidung darüber herbeiführen, «ob das Studium der Philosophie und der Logik vom (religiösen) Gesetz her erlaubt, verboten, empfohlen oder notwendig sei«. Zu diesem Zweck greift er zum Koran, der wichtigsten Quelle der islamischen Rechtsprechung. Dort finden sich Aussagen wie «Denkt nach, die ihr Einsicht habt!« (Sure 59 Vers 2) oder «Haben sie denn nicht über (Gottes) Herrschaft über Himmel und Erde und (darüber), was Gott alles geschaffen hat, nachgedacht? « (Sure 7 Vers 185) Sie belegen nach seiner Ansicht, dass die Menschen über den Aufbau der Welt und über ihren eigenen Ursprung reflektieren sollen. Ja, mehr noch: Diese Reflexion muss auf die bestmögliche Weise erfolgen, denn der Koran sagt weiter: «Rufe die Menschen mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und disputiere mit ihnen auf eine möglichst gute Art.« (Sure 16 Vers 125) Die beste Form des Denkens ist aber jene, deren Ergebnisse bewiesen werden. Es ist die Philosophie, die sich wie keine andere Wissenschaft an der (aristotelischen) Beweislehre orientiert. Also kann Averroes als erstes Ergebnis seiner Überlegungen festhalten, dass der Koran (und damit die Scharia) den Menschen nicht nur empfiehlt, sondern zwingend (wâdjib) vorschreibt, sich mit der Philosophie zu beschäftigen.

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« Avicenna).

Deren unüberlegte Behauptungen hätten nämlich erst dazu geführt, dass die Philosophie inkonsequentund angreifbar geworden sei.

Gleichwohl hat Averroes ein Interesse daran, die philosophische Tradition zurehabilitieren.

Deswegen legt er auch größten Wert darauf, sie gegen alle Vorwürfe, die Ghazâlî erhoben hatte, inSchutz zu nehmen.

Sie gipfelten in der Behauptung, die Philosophen verbreiteten Unglauben (kufr), denn sie lehrten1) die Urewigkeit der Welt (Kap.

1 der Inkohärenz der Philosophen), 2) Gott kenne die Einzeldinge nur auf allgemeineWeise (Kap.

13) und 3) der Mensch könne nicht mit dem Leib, sondern nur mit der Seele auferstehen (Kap.

20).Diese Anschuldigungen werden von Averroes mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen, wobei er folgende Argumentegeltend macht: i) Der Koran sagt nirgends, die Welt sei aus dem Nichts geschaffen und in der Zeit entstanden.Wenn überhaupt Aussagen über den Ursprung der Welt gemacht werden, deuten sie eher darauf hin, dass von einerewigen Materie auszugehen ist; so Sure 11 Vers 7: «Und Er ist es, der Himmel und Erde in sechs Tagen geschaffenhat, während sein Thron über dem Wasser schwebte.» Solche Verse sind allerdings nicht klar.

Sie lassen Philosophenund Theologen Raum für Interpretationen.

Folglich sollte auch keine Partei die andere wegen ihrer Überzeugungendes Unglaubens bezichtigen.

2) Gleiches gilt für die Frage nach dem göttlichen Wissen.

Auch hier werden diePhilosophen missverstanden.

Sie leugnen nämlich gar nicht, dass Gott die Partikularia kennt, sondern betonen nur,dass seine Art des Wissens von jeder Form des menschlichen Wissens zu unterscheiden ist.

Die Menschen erwerbenihr Wissen Schritt für Schritt; ihre Kenntnisse werden durch die Betrachtung der einzelnen Dinge verursacht.

BeiGott ist es umgekehrt.

Sein Wissen umfasst von Ewigkeit her alle Dinge (einschließlich des menschlichen Wissens)und war bzw.

ist eine Voraussetzung dafür, dass die Partikularia nacheinander entstanden bzw.

entstehen.

3)Schließlich ist den Philosophen auch bei der Frage der Auferstehung Unrecht widerfahren.

Was sie in dieser Hinsichtlehren, steht nämlich keineswegs im Widerspruch zum Koran.

Der Grund dafür wurde bereits in Die entscheidendeAbhandlung erwähnt: Man kann die Koranstellen, die von der Auferstehung sprechen, nicht auf ihren wörtlichen Sinnoder auf einen übertragenen Sinn festlegen.

Also darf auch niemand des Unglaubens bezichtigt werden, der zudieser Frage eine andere Interpretation vorträgt.

Damit scheinen alle wichtigen Punkte geklärt zu sein.

Averroes hatdie Philosophie legitimiert, sowohl in ihrem grundsätzlichen Anspruch (in Die entscheidende Abhandlung) als auch inihren einzelnen Thesen (in Die Inkohärenz der Inkohärenz).

Also ist er fortan berechtigt, sich seinen eigenenphilosophischen Reflexionen zuzuwenden.

Das geschieht allerdings nicht mehr in den Schriften, die wir bis jetztbetrachtet haben, sondern in einer anderen Gattung von Texten.

Gemeint sind die zahlreichen Kompendien,erklärenden Paraphrasen und Kommentare, die er zum OEuvre des Aristoteles (sowie zu Platons Res publica undverschiedenen anderen antiken Werken) verfasst hat.

Dort entfaltet sich schließlich sein systematisches Denken.Dabei geht es Averroes nicht darum, der Philosophie neue und unerwartete Perspektiven aufzuzeigen, sonderndarum, den Weg zur Wahrheit zurückzufinden.

Sie ist nach seiner Auffassung bekannt, denn sie wurde bereits vonAristoteles vertreten.

Er hat uns nämlich gelehrt, die uns umgebende Natur zu verstehen und aus ihr unfehlbareSchlüsse auf das Ganze des Seins zu ziehen.

Diese Fähigkeit ging jedoch verloren.

Denn Denker wie Avicennaverbanden die Philosophie mit der Theologie (auch den Aristotelismus mit dem Neuplatonismus), sie vermischten dieEbene der Demonstration mit den Ebenen der Dialektik und der Rhetorik.

So verlor die Philosophie ihre ursprünglicheKohärenz und konnte von Kritikern wie Ghazâlî angegriffen werden.

Um dem entgegenzuwirken, besinnt sich Averroeswieder auf den Stagiriten.

Das führt in vielen Fällen dazu, dass er «neue» Thesen, die seine Vorgänger gerade erstentwickelt hatten (z.

B.

Avicennas Trennung von Essenz und Existenz; Fârâbîs kosmologisches Modell mit Gott alsWirkursache an der Spitze), verwirft und durch «klassische» aristotelische Lehren (die Substanzen alsGrundbausteine des Seins; Gott als Bewegungsursache) ersetzt.

Trotzdem kann auch er nicht einfach diePhilosophie des Aristoteles restituieren.

Das weiß er selbst, denn aus seinen Äußerungen geht hervor, dass er überdie unterschiedlichen Deutungen, die zum Werk des Stagiriten vorlagen (von Alexander von Aphrodisias, Themistios,Simplikios, Johannes Philoponos usw.), sehr genau informiert ist.

Also betreibt Averroes seinerseits Aristoteles-Exegese.

Er diskutiert die Probleme, die das Corpus Aristotelicum aufwirft, und vergleicht die Interpretationen, diedazu entwickelt wurden.

So kommt er durch die gewissenhafte Auseinandersetzung mit den traditionellenLösungsansätzen zu einer Reihe von Antworten, die durchaus neu und originell in ihrer Konzeption sind.

Dasbekannteste Beispiel dafür ist wohl die Lehre vom Intellekt.

Sie spielt in Averroes' Überlegungen eine wichtige Rolle.Dabei geht es ihm nicht darum, die Stellung des aktiven Intellekts zu überdenken (was bei Ibn Bâdjdja und Ibn Tufaileher im Vordergrund stand), sondern genauer zu bestimmen, wie es sich mit dem potentiellen (oder materiellen)Intellekt verhält.

Zu ihm vertraten die meisten älteren Autoren eine vergleichbare Mei- nung.

Denn sowohl Kindî alsauch Fârâbî und Avicenna (sowie deren Nachfolger) gingen davon aus, dass jeder Mensch einen eigenen potentiellenIntellekt besitzt.

Ihm wurde sogar eine wichtige Funktion zugesprochen: Er sollte dem Individuum die Möglichkeitgarantieren, glückselig zu werden (bei Fârâbî nur mit Einschränkungen).

Denn wenn es dem Menschen gelinge,Erkenntnisse zu gewinnen, so hieß es, realisiere er seinen potentiellen Intellekt und erhalte Anteil an der ewigengeistigen Welt.

Dieser Auffassung tritt Averroes entgegen.

Nach seiner Ansicht sprechen mehrere Gründe dafür,dass es nur einen, universalen potentiellen Intellekt gibt.

Einerseits müsse man die Ebenen des Partikularen (d.

h.hier des einzelnen Menschen) und des Allgemeinen (d.

h.

hier der geistigen Erkenntnis) unterscheiden.

ZumIndividuum gehören die Tätigkeiten, die mit der einzelnen, leiblich-sinnlichen Existenz zusammenhängen.

Zu ihnenzählen alle Akte, die mit unseren Sinneseindrücken zu tun haben (Wahrnehmung, Erinnerung, Vorstellung usw.).

Siewerden deswegen von einer individuellen Seele, die mit dem Körper wieder vergehen wird, koordiniert.

Die geistigeErkenntnis gehört dagegen nach Averroes' Überzeugung nicht in den Bereich des Individuellen.

Sie übersteigt dieErgebnisse, die aus den einzelnen Wahrnehmungen gewonnen werden, denn sie abstrahiert aus ihnen einen Begriff.Begriffe aber sind allgemein, das Wissen um sie ist bei allen Menschen dasselbe (man denke etwa an mathematischeGesetze).

Daraus folgert er, dass auch die erkennende Instanz bei allen Menschen dieselbe sein müsse.

Ein weiteresArgument ergibt sich aus dem potentiellen Intellekt selbst.

Er ist, bevor er denkt, reines Vermögen.

Averroesdefiniert ihn als das, «was potentiell alle (intelligiblen) Formen ist, die zu den universalen materiellen Formengehören», und besteht darauf, dass er, «bevor er sie versteht, nichts aktuell Seiendes ist».

Als Vermögen aber ist erunkörperlich, und als Vermögen besteht er auch schon immer.

Das spricht ebenfalls dafür, einen einzigen potentiellenIntellekt anzunehmen, der ewig ist und durch seine (philosophische) Tätigkeit die Unsterblichkeit des. »

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